AFGHANISCHE COMMUNITY IN ÖSTERREICH
Kommentar von Shokat Walizadeh
Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat mit unterschiedlichsten Volksgruppen wie Usbeken, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Paschtunen und Kirgisen.
Für die meisten Menschen im Westen ist Afghanistan heutzutage ein Ort, der fast nur mit Krieg in Verbindung gebracht wird. In den Medien sind Geschichten über Gewalt, Drogen, Korruption, Terrorismus und die Machtübernahme der Terrorgruppe Taliban zu hören und zu lesen. Vieles davon lässt sich nicht leugnen, denn in Afghanistan herrscht seit 41 Jahren Krieg. Die Terrorgruppe Taliban hat es nun nach 18 Jahren (im Jahr 2018) geschafft von der schwarzen Liste gestrichen zu werden und sitzt nun mit den USA am Verhandlungstisch. Über 7.000 Taliban, darunter Personen, die schwere Verbrechen begangen haben, sind in den letzten 3 Jahren aus dem Gefängnis befreit worden und am 16.08.2021 haben die radikalislamischen Taliban die Macht in Afghanistan übernommen. Sie haben das Land im Chaos versenkt.
Die terroristischen Gruppen haben untereinander große Probleme und auch innerhalb der Taliban herrschen interne Probleme. Ein sehr kleiner Teil von etwa einem Prozent ist ein wenig sensibilisiert. Und weil die Taliban eine Anerkennung anstreben, lassen sie sich im Moment ein wenig biegen. Aber 99 % der Taliban sind die gleichen Terroristen und extrem radikalen Islamisten wie jene von 1996 bis 2001. Die Taliban bestehen ausschließlich aus Männern, in der Führungsebene ist mit den Pashtonen nur eine Volksgruppe vertreten. Sie agieren nur im Sinne ihrer Volksgruppe und unterdrücken andere Volksgruppen. Sie schreiben den anderen Volksgruppen vor, wie sie sich zu verhalten haben. Etwa wie sie zu beten haben, wie sie sich zu kleiden haben, oder dass die Männer ihren Bart nicht schneiden dürfen und aber auch keine längeren Haare haben dürfen. Von den Rechten der Frauen und Kinder ist hier überhaupt keine Rede, weil es in dieser schwarzen Zeit keine Rechte für sie gibt und die Taliban das auch nicht zulassen.
Es ist unglaublich was die Taliban in den letzten 3 Jahren geschafft haben, von der schwarzen Liste als terroristische Gruppe sitzen sie nun mit am Verhandlungstisch. Sie haben die Macht übernommen und möchten nun natürlich als afghanische Regierung anerkannt werden. Für viele ist es eine offene Frage, wie sie das geschafft haben.
Am 05.09.2018 wurde Zulmai Khalilzad als USA Sonderbeauftragter bestellt. Er war ein Studentenkollege des afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani Ahmadzai. Beide studierten in den 1970er Jahren gemeinsam an der amerikanischen Universität in Beirut. Auf der anderen Seite sind sie mit dem Chefunterhändler der Taliban Sher Mohammad Abbas Stanikzai, verwandt mit dem Chef der Nationalen Direktion für Sicherheit in Afghanistan Mohammed Masoom Stanekzai ins Gespräch gekommen.
Drei Männer von drei Seiten (USA „Zulmai Khalilzad“, Taliban „Sher Mohammad Abbas Stanikzai“ und Afghanistan „Ashraf Ghani Ahmadzai“) von einer Volksgruppe sind an einem Tisch gekommen. Das ist die Ursache für den nationalen Schock. Städte sind ohne Kampf gegen die Taliban abgegeben worden, weil die Soldaten laut der Befehle von Mohammed Masoom Stanekzai nicht gegen die Taliban kämpfen durften. Wenn einer aus diesem Dreieck von einer anderen Volksgruppe gewesen wäre, wäre der 20 jährige Kampf gegen Terrorismus nicht umsonst gewesen und das Steuergeld der EU und USA wäre nicht umsonst gegen den Kampf des Terrorismus in Afghanistan ausgegeben worden. Die Taliban wären mit ihrer rassistischen, frauenfeindlichen und intoleranten Sichtweise und ihrer feindlichen Einstellung gegenüber Demokratie, Gleichheit und Entwicklung nach 20 Jahren nicht wieder an die Macht gekommen.
Da Afghan*innen, die es geschafft haben, sich in der EU in Sicherheit zu bringen, waren Opfer der Gräueltaten des Terrorregimes Taliban. Deshalb fordere ich die österreichische Regierung und die EU auf, mit ihrer Politik das Leiden der Afghane*innen nicht zu vermehren. Und ich rufe alle europäischen und westlichen Regierungen dazu auf, die Taliban nicht anzuerkennen!
Der lange Krieg und die Angst vor der schwarzen Zeit von 1996 – 2001 hat dazu geführt, dass viele Afghanen*innen ihre Heimat verlassen mussten und sich auf der Flucht befinden.
Nach meiner Einschätzung leben in Österreich zurzeit mehr als 85.000 afghanische Geflüchtete und Migrant*innen. Fast 22.000 von ihnen leben in Wien und der Rest in Städten wie Linz, Graz, Salzburg und Innsbruck.
Für ein besseres Verständnis von Afghanistan ist es wichtig, einen Blick auf die Geschichte, die Kultur, die Gemeinschaft und das afghanische Volk zu werfen. Auch die afghanischen Geflüchteten in Österreich, die ihren Platz in der österreichischen Gesellschaft finden wollen, haben das Bedürfnis, mehr über Österreich zu erfahren. Das sollte in unterschiedlicher Form ermöglicht werden.
Die Situation in Afghanistan ist kompliziert und in der letzten Zeit ist es noch schwieriger geworden. In über 41 Jahren sind nun bereits zwei Generationen der Afghan*innen sowohl im Krieg geboren als auch aufgewachsen. 2,9 Millionen Afghan*innen sind in 93 Ländern auf der Flucht. Nach wie vor gehört Österreich und Europa zu einem der wichtigsten Zielländer für afghanische Geflüchtete.
Picture Credit: CIA World Factbook 2014