Interview mit Shokat Walizadeh über seine Lehre als Zahntechniker
Drittstaatsangehörige mit erfolgreicher beruflicher Laufbahn in Österreich
Kannst du dich kurz vorstellen?
Mein Name ist Shokat Walizadeh, ich wurde in Afghanistan geboren und bin dort aufgewachsen. Ich bin seit 2008 in Österreich und lebe tatsächlich seit 2009 in Österreich. Ich habe im Jahr 2010 eine Lehre als Zahntechniker begonnen und im Jahr 2014 erfolgreich abgeschlossen. Außerdem konnte ich beim Wiener Lehrlingswettbewerb den ersten und beim Bundeslehrlingswettbewerb den zweiten Platz machen.
Wie lange hat es gedauert, bis du eine geeignete Ausbildung gefunden hast?
Ich habe einige Zeit gebraucht um eine Arbeitsbewilligung zu bekommen. Durch meine damalige freiwillige Deutschlehrerin (Verein Ute Book), die für mich als Fürsprecherin fungierte, fand ich einen Lehrplatz.
Wie hast du deine Lehrstelle gefunden und was hat ich bei der Suche nach einer Lehrstelle am meisten geholfen?
Meine damalige Deutschlehrerin war eines Tages beim Zahnarzt, nachdem ihr ein Stück Zahn abbrach. Wie es der glückliche Zufall so wollte, hat sie mit ihrem Zahnarzt über mich gesprochen und nachgefragt wie es funktioniert einen Lehrplatz zu finden. Ihr Zahnarzt hat gleich in seinem Labor nachgefragt, ob sie heuer Lehrlinge aufnehmen möchten. Tatsächlich suchte das Labor gerade nach Lehrlingen. Es wurde gleich ein Termin ausgemacht und meine Deutschlehrerin begleitete mich zum Vorstellungsgespräch. Sie haben ganz viel geredet und ehrlich gesagt habe ich sehr wenig davon verstanden. Der Chef sagte, ich müsse vorher zwei Tage ein Praktikum machen. Nach diesen beiden Tagen hat er meine Werkstücke ausführlich kommentiert. Ich begann dann im September 2010 mit der Lehre.
Mit welchem Sprachniveau hast du dein Lehre begonnen?
Ich habe B1 abgeschlossen und während des B2 Kurses die Lehre begonnen.
Welche Begabungen zeichnen dich aus?
Ich wollte einen Beruf haben, indem ich Menschen helfen kann. Nach einem Austausch mit meiner Deutschlehrerin bin ich auf Zahntechniker gestoßen. Menschen brauchen Zähne zum Essen und Lachen, deshalb wollte ich diese Lehre machen.
Wie hast du deine Stärken und Interessen herausgefunden?
Es war mir bekannt, dass ich geschickt mit der Hand und sehr genau bin. Das ist in diesem Bereich (Zahntechnik) notwendig. Und wie gesagt, ich wollte mit meinem Beruf Menschen helfen – Menschen brauchen Zähne und wollen lachen.
Was magst du besonders an deinem Beruf?
Es war eine saubere Arbeit, zum Beispiel zum Vergleich zur Arbeit auf einer Baustelle oder vielen weiteren Berufen und man kann Menschen helfen. Aber meine Hilfe für Menschen war für mich in diesem Beruf nicht genug ausgeprägt. Deswegen habe ich nach meinem Abschluss und einem Jahr Erfahrung noch einmal gewechselt. Ich arbeite inzwischen nicht mehr als Zahntechniker, sondern habe hauptberuflich einen Berufsweg im sozialen Bereich eingeschlagen. Zurzeit studiere ich berufsbegleitend Soziale Arbeit und arbeite auch im sozialen Bereich.
Womit hast du in deinem Beruf Schwierigkeiten?
Zu Beginn hatte ich sehr viele Schwierigkeiten wegen meiner mangelnden Deutschkenntnisse und dem Dialekt. Ich habe sogar ganz wenig in der Berufsschule verstanden, im Betrieb habe ich immer wieder und wieder nachgefragt. Danke an Kolleg*innen, die mir immer wieder Dinge erklärt haben. Meine Arbeitskollegen und die Berufsschullehrer*innen haben mir sehr weitergeholfen, dafür möchte ich mich bedanken. So konnte ich sogar im Jahr 2012 beim Wiener Lehrlingswettbewerb der Zahntechniker den ersten Platz machen. Danach habe ich mich bestätigt gefühlt. Im letzten Lehrjahr konnte ich beim Bundeswettbewerb und beim Wiener Wettbewerb jeweils den 2. Platz machen. Ohne Unterstützung von sehr vielen engagierten Arbeitskolleg*innen, Lehrer*innen und ehrenamtlichen Unterstüzer*innen hätte ich das nie geschafft. Doch so schaffte ich auch die Lehrabschlussprüfung erfolgreich.
Was waren die größten Herausforderungen im Betrieb und in der Berufsschule für dich?
Die größten Herausforderungen waren die Sprache und der Dialekt, das neue System in der Berufsschule, fehlende Infos zu meinem Rechten und Pflichten, der Umgang im Betrieb und in der Berufsschule. Auch das Nein Sagen und die Abgrenzung von Schule und Arbeit zum Privaten war eine Herausforderung.
Was waren deine Erwartungen an deine Lehrzeit?
Meine Erwartungen, Wünsche und Ziele war diese Chance und Möglichkeit zu nützen, etwas was Neues zu lernen und die Lehre erfolgreich abzuschließen. Ich habe nur an den Abschluss und danach gedacht und so alle Herausforderungen gemeistert.
Wie hast du dich nach dem Abschluss gefühlt?
Natürlich habe ich mich wohl und sicher gefühlt, besonders nach dem Bundeslehrwettbewerb habe ich mich geehrt gefühlt und eine riesige Freude gehabt. Obwohl mein Chef mich vor dem Wettbewerb vor allen Mitarbeiter*innen erniedrigt hat und gefragt hat, warum ich mich für den Wettbewerb angemeldet habe, ich könne nichts machen und das sei beschämend für die Firma. Am Ende hat er gesagt, dass ich beim Wettbewerb teilnehmen darf, aber ich sollte nicht sagen von welcher Firma ich komme.
Ich habe das sehr ernst genommen und nichts gesagt, aber bei der Meisterverleihung der Wirtschaftskammer im Festsaal wurde ich mit Namen der Firma als Zweitplatzierter des Bundeswettbewerbs 2014 auf die Bühne gerufen.
Was würdest du anderen, die eine Lehrausbildung machen möchten, empfehlen?
Erstens sollte man wirkliches Interesse an dem Beruf bei dem Vorstellungsgespräch zeigen und auf Pünktlichkeit achten, das ist sehr wichtig. Man sollte auch ein bisschen länger bleiben und nicht gleich weglaufen oder jeden Augenblick auf die Uhr schauen.
Die ersten beiden Lehrjahre sind die schwierigsten, aus meiner Erfahrung. Man muss akzeptieren, dass man in der Hierarchie ganz unten ist. Man sollte gut zuhören und möglichst viel lernen. Bei Kolleg*innen kann man sich viel abschauen, wenn man zusieht und aufmerksam beobachtet. Man muss auch verstehen, dass die Kolleg*innen auch mal viel Stress haben. Man soll sich nicht alles gleich zu Herzen nehmen, wenn mal etwas nicht so freundlich gesagt wird. Man sollte versuchen, eine gute kollegiale Arbeitsbeziehung aufzubauen. Hilfsbereitschaft und offen sein für das was kommt, wäre wirklich von Vorteil. Am besten redet man viel Deutsch mit den Kolleg*innen, so lernt man wirklich gut die neue Sprache. Auch die aktive Teilnahme an Festivitäten, wie Weihnachten etc. kommt dem Lernen zugute. Man sollte zudem darauf achten, in der Schule nicht oder wenig über den Betrieb, in dem man arbeitet, zu erzählen. Man sollte generell nicht zu viel erzählen, Privates sollte Privates bleiben.
Einen ganz wichtigen Appell habe ich: auch wenn es mal schwierig ist während der Lehrzeit sollte man durchhalten und die Lehre fertigmachen. Denn ein Abschluss ist in Österreich sehr wichtig. Natürlich sollte man sich nicht ausnützen lassen und die Grenzen beachten. Bei Unsicherheit kann man sich anonym bei der Arbeiterkammer oder Gewerkschaft melden.
Wenn man nicht weiß, für welche Lehrstelle man sich entscheiden soll oder sich für einen Lehrberuf interessiert, aber nicht genau weiß, was genau dabei zu machen ist: Im Internet, und auf youtube gibt es von der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft viele Videos, wo man sich vorinformieren kann. Geflüchtete können am Programm der lobby.16 in Wien oder beim Arbeitsmarktprojekt Aufschwung der Diakonie in ganz Österreich teilnehmen und sich dort vorbereiten und betreuen lassen.